Duo Einfach so | Schauspieler ist kein Beruf. Es ist eine Diagnose.

Schauspieler ist kein Beruf. Es ist eine Diagnose.

Ja perfekt! Endlich weiß ich, was mit mir nicht stimmt, Leute: Ich bin Schauspielerin!

Wow, wenn mir das jemand früher gesagt hätte, dann wäre ich vielleicht Bänkerin geworden. Oder Einzelhandelskauffrau. Oder Hebamme, so wie es mein erster Berufswunsch war. 

Ja? Wäre ich? Nicht im geringsten. Denn ich hatte einige, die das sehr früh zu mir gesagt haben. Und das war keineswegs als >Diagnose< gemeint, sondern eher als gut gemeinte Gießportion auf das zarte kreative Schauspiel-Pflänzchen, das sich schüchtern bei mir aus der Erde heraus streckte. Was für ein Glück! 

Ich kann nicht genau sagen, wann der Groschen bei mir wirklich gefallen ist. Ja, ob überhaupt einer gefallen ist. Für mich war Kreativität, Bühne, sich zeigen und präsent machen schon immer ein Thema. Bei Rollenspielen und spielerischem Geschichtenerzählen im Kindergarten konnten meine Erzieher*innen ausnahmslos auf mich zählen. Wenn ich versuche, aus dieser Zeit Bilder hervorzukramen kommt ein verschwommener Film einer Erzählung, bei der ein von mir Dreikäsehoch gespielter Fuchs ein „Galette des rois“ aus einer Bäckerei stibitzt und es mir abhanden kommt, weil es rund ist und wegrollt und mich an die verrücktesten Orte führt.

„Was für eine unrealistische Geschichte“, plappert die erwachsene Vernunft in mir herum und „was für ein Spaß“ sprudelt das innere Kind in mir und freut sich an der Erinnerung, die erstaunlicherweise noch lebendig in mir ist. Ja, auch als ich noch echt klein war liebte ich das sich-verlieren in Paralleluniversen, das Geschichtenerfinden und -weitergeben. Klingt nach Bilderbuch? Ja. Ist es auch. Soll vorkommen.

Ein diagnoseorientierter Grieche würde an dieser Stelle vermutlich fragen, was denn zu diesem Zeitpunkt so furchtbar an meiner Realität gewesen sei. Ganz ehrlich? Nüscht. Ich war einfach nur ein Kind, das spielen konnte und durfte und darin bestärkt wurde. Nichts weiter. Keine Diagnose von Nöten, danke, bitte, gerne.

Irgendwann begann ich die Musik für mich zu entdecken und das schau-spielen rückte ein wenig beiseite, mein Monokulturbeet mit dem Schauspielpflänzchen wurde ein bisschen diverser. Ich stürzte mich mit Begeisterung auf das erste Instrument, das ich entdeckte – das Pfeifen. Das ging so weit, dass ich ein paar Jahre später der Überzeugung war, ich würde mal den ersten Pfeifchor auf der Welt gründen. „Was für eine verrückte Idee“, plappert die erwachsene Vernunft und „was für ein Spaß“ sprudelt das innere Kind in mir. Der Eintritt in den Kinderchor schloss sich an, wieder einige Zeit später das zweite Instrument, die Geige und mit 9 Jahren streckten dann die Bühne und das Schauspiel mal wieder ihre Finger nach mir aus, als ich im letzten Jahr der Grundschule mein erstes Musical spielte – „Max und die Käsebande“. Drei Mal dürft ihr raten, wen ich gespielt habe. Jaja, so leicht würde ich es nie wieder haben an eine Hauptrolle zu kommen. Mein Glück, dass es damals geklappt hat. Wie ich diese Rolle geliebt habe – eine pfiffige freche Maus, die Käse klaut (irgendwie konzentrierten sich meine Kindheitsrollen auf kleptomanische Charaktere fällt mir da grade auf) und dann am Ende doch gemeinsame Sache mit den Käser*innen macht, um die Einheitskäsewirtschaft zu bekämpfen und die Käsevielfalt zu retten. Es ist zu drollig, wenn ich mir heutzutage die Videoaufnahmen von damals anschaue, wie überzeugt ich auf dieser Bühne stehe und jede noch so kleine Geste für mich die Welt zu bedeuten scheint. Und es ist fast ein bisschen traurig wenn ich bedenke, dass von dieser Fähigkeit zu Beginn meiner Schauspielausbildung nur noch ein kleiner Rest übrig war. Aber darauf geh ich anderer Stelle mal genauer ein.

Fakt ist – für sehr lange Zeit, die Zeit in der es darauf ankam mein kreatives Musik- und Schauspielmischkulturbeet zu gießen und zu düngen, kam niemand in meinem direkten und weiteren Umfeld auf die Idee, mir das Gefühl zu geben, Schauspielerin zu sein, sei an eine Diagnose geknüpft. Erst dann, als der Entschluss für mich feststand an die Schauspielschule zu gehen, haben ein paar meiner Lehrer sich am Plündern meines sorgsam gepflegten Beetes versucht. Schauspielerei sei brotlose Kunst, verbunden mit viel Einsamkeit, Identitätskrisen und der Sehnsucht nach Anerkennung, ob ich nicht „etwas Richtiges“ machen wolle, ich hätte mein Abitur jawohl nicht umsonst machen wollen. Gut, dass ich ihnen nicht geglaubt habe und meine Wurzeln stark genug waren. Auch wenn sich manch ein Punkt bewahrheiten sollte – aber das ist eine andere Geschichte.